Im Juli 2018 zog es uns wiedermal in den Norden. Diesmal waren der Stockholmer Schärengarten und die zu Finnland gehörenden Aland-Inseln die Ziele unseres Segeltörns.
Und das sorgte beim Vercharterer für Verwirrung: “Warum wollt ihr denn nach Aland? Hier in den schwedischen Schären ist es doch sooo schön!” – “Na ja, das wird sicher so sein, wir sind zum ersten mal hier, aber wir möchten gerne auch die Alands sehen”, meine offene, aber wenig überzeugende Antwort. Die blonde Schweden-Dame von der Charter Base blickt mich verständnislos an. Warum um Himmelswillen wollen diese Schweizer, die zum ersten Mal hier sind, und nur eine Woche bleiben, nicht mal diese eine kurze Woche für die Erkundung des riesigen Archipels vor Stockholm nutzen, sondern zu den Aland-Inseln segeln?
Vielleicht ist das etwa so, wie wenn Schweden zum wandern in die Schweiz kämen und anmerken würden, sie möchten auch noch nach Österreich. Da würde man auch fragen: Warum wollte ihr denn nach Österreich? Hier in der Schweiz ist es doch sooo schön! – Nun gut, wir blieben bei unserem Plan und die nette Schwedin zauberte ein Set Seekarten der Alands aus dem Schrank. Offenbar waren wir doch nicht die ersten mit solch abstrusen Ideen. Fakt ist: Der Stockholmer Schärengarten besteht aus über 30’000 Inseln, klar könnte man gut ein paar Wochen hier verweilen.
Da könnte man sich wirklich gut verweilen, und das tun viele. Viele, viele Schweden in den Sommerferien. Das heisst, je näher an Stockholm herrscht auf den Wasserstrassen ein Schiffsverkehr dichter als im Zürcher Seebecken an einem sonnigen Wochenende. Nebst der reichlichen Zahl an Motor- und Segelbooten mischen die kleinen, schnellen Fähren die fröhliche Wasserparty auf, und hin und wieder schiebt sich ein Koloss von einem Kreuzfahrtschiff oder eine der grossen, internationalen Fähren ins Getümmel. Hier kann man prima die Vortrittsregeln üben.
Viele Schiffe heisst auch, dass die guten Liegeplätze an den Stegen oftmals schon früh am Nachmittag belegt sind. Das Motto lautet: früh raus, früh rein. Das funktioniert für Leute, die mehrere Wochen im Schärengarten rumgurken und dabei nur kurze Tagesetappen zurücklegen. Wir wollten um die 30sm pro Tag segeln, und so waren ein paar Mal die besten Plätze halt schon weg, als wir ankamen.
Aber wir fanden immer ein schönes Plätzchen, entweder am Steg, an einer Schäre oder vor Anker. Je weiter raus man an die Peripherie kommt, schwindet die Anzahl der Schiffe. Und wenn man die 30sm über die offene Ostsee zu den Alands fährt, ist man allein unterwegs. Die Schweden bleiben halt lieber dort, wo es sooo schön ist.
Das Wetter in unserer Woche war untypisch für Schweden: heiss und trocken. 2018 wird als Jahrhundertsommer in die Geschichtsbücher eingehen. Der Frühling war schon extrem schön mit wenig Niederschlägen und die erste Hälfte des Julis auch. In Stockholm verzeichnete das Thermometer 28°-30°C. In Arholma und auf den Alands war es etwas kühler, aber ich hätte nicht gedacht, dass ich auf 60° nördlicher Breite hauptsächlich im T-Shirt und in kurzen Hosen segeln würde. Die ganze Woche stahlblauer Himmel, nur einmal unterbrochen von einem kurzen, überaschenden Regenschauer.
Die Locals haben uns alle bestätigt, dass dies in Schweden selten so sei. Meist seien Schönwetterperioden kurz. Wir hatten vorgängig beim Vercharterer Ölzeug bestellt für die Törnteilnehmer, die kein eigenes hatten. Für sagenhafte 20 Euro pro Woche (!!) mieteten wir neue Sets (Hose + Jacke) Marke Gill. Ich war perplex. Ja, Schweden ist teuer, etwa gleiches Preisniveau wie in der Schweiz. Aber diese gemieteten Schwerwetter-Sets waren ein absolutes Schnäppchen. Vielleicht ahnte der Vercharterer, dass wir sie nie brauchen würden… so gesehen, war das Verhältnis von Kosten-Nutzen wieder klar auf der Seite des Vermieters.
Während dem ich diese Zeilen tippe, wüten in Schweden Waldbrände. Die Trockenheit fordert ihren traurigen Preis. Offenbar ist der Jetstream, der in normalen Jahren am Laufmeter Störungen über Nordeuropa bringt, in diesem Jahr wesentlich weiter nördlich, so dass Skandinavien kaum Regen abkriegt.
Wir wussten es, dass auf dieser nördlichen Breite die Sonne früh aufgeht und spät untergeht. Man geht vorbereitet auf Törn. Aber es ist eine Sache in einem Buch zu lesen “Sonnenaufgang 0334”, und eine ganz andere, wenn einem um 0400 die Sonne in die Kabine scheint. Als Skipper schrickt man auf, man meint, man habe verschlafen. Man schielt ungläubig auf seine Uhr…: 0400!? – Das ist gewöhnungsbedürftig und schlafraubend. Diese Anpassung habe ich in einer Woche nicht hingekriegt. Aland gehört politisch zu Finnland und hat somit die Osteuropäische Sommerzeit (UT+3). Sonnenuntergang ist dann irgendwann um 2300.
Wir wollten einmal den Sonnenuntergang über dem Meer sehen, grillten auf einer Schären ein paar Würstchen und warteten und warteten… Die Sonne schlich über den Horizont und wollte einfach nicht untergehen. Irgendwann war für mich dann doch das Halbfinalspiel zwischen Kroatien und England das interessantere Spektakel.
Geld war auf diesem Törn ein besonderes Thema: Das gibts in Schweden praktisch nur in Plastikform. Alles, aber auch wirklich alles, wird mit Kreditkarte bezahlt, Bargeld wird oftmals gar nicht angenommen! Also keine schwedischen Kronen wechseln. Selbst als in einem Public-Viewing ein Junge salzige Nüsschen verkaufte, wurde dieser Kleinstbetrag mit Karte bezahlt. Das sieht auf den ersten Blick praktisch aus, aber wie funktioniert so die Bordkasse? In Restaurant ist es nicht üblich, dass jeder separat seine Konsumation bezahlt, sondern als Gruppe gibt es eine Gesamtrechnung. Wie löst man das mit der Crew, wenn nur mit Kreditkarte bezahlt werden kann? – Unsere Lösung war, dass ich als Skipper zwei Kreditkarten dabei hatte: Eine war die Bordkasse, mit der anderen wurden alle anderen Auslagen bezahlt. Nach dem Törn gab es eine Abrechnung und die Crew überwies mir den pro Kopf Fehlbetrag per e-Banking. Hat funktioniert, aber die gute alte Bordkasse mit Cash ist mir doch sympathischer.
Samstag: Anreise zur Base nach Gashaga (Lidingö), Bootsübernahmen und erster Einkauf, Znacht im Pier 16 (tolles libanesisches Restaurant direkt bei der Base)
Sonntag: nach Vaxholm in die Marina, dort restlichen Proviant eingekauft, danach nach Djupfladen, auch genannt “Paradiset”, geankert, 25sm.
Montag: mit total 28 Wenden gegen den Wind aufgekreuzt nach Arholma Österham, geankert, 34sm. Landgang zur Arholma-Bake und anschliessend nach Westham war super schön. Abendessen im Dansbana. Tolles Essen, fantastische Aussicht, aber Bier gibts nur zu astronomischen Preisen.
Dienstag: mit angenehmer NW-Brise nach Marienhamn (Aland-Inseln) geseglt, 30sm. Anlegen mit Bug zum Steg und Heckleine an Boje (lange Leine bereit halten!), tolle sanitäre Einrichtungen mit Sauna, Rundgang durchs Städtchen ist ok aber nix Besonderes.
Mittwoch: mit wenig Wind 17sm nach Rödham gesegelt, anlegen mit Heckboje und Bug zum Steg (unbedingt den super-praktischen Bojenhaken mitnehmen resp. vom Vercharterer verlangen!!). Znacht auf den Schären gegrillt. Rödham hat uns sehr gut gefallen. Idylle pur!
Donnerstag: bei Flaute zurück nach Schweden motort, später gesegelt nach Bergsholmen, total 48sm. Anlegen mit Heckanker, Bug an die Schäre und zwei Landleinen.
Freitag: 21sm zurück nach Gashaga. Unterwegs aufgetankt in Vaxholm in der Meeresenge, gegenüber dem Kastell. Am Abend mit der Fähre für den Abschlussabend nach Stockholm-City gefahren.
Samstag: Rückreise in die Schweiz. Total der ganzen Woche: 175sm.