Nach dem Abstecher in den Süden von Santo Antão war unser Plan, hoch am Wind südlich von São Vincente nach Santa Luzia und São Nicolau Richtung Osten zu segeln. Ende Woche würden wir dann auf räumlichem Kurs nach Mindelo zurückkehren. Soweit der Plan. Also kehrten wir nach der ruhigen Nacht in Monte Trigo aus dem Windschatten von Santo Antão in die Realität des winterlichen Passatwinds zurück.
So hart wie möglich an den Wind bei 6-7 Bft ist eine kräftraubende Sache. Zudem führten Winddreher und die Strömung östlich von São Vincente dazu, dass wir unser Ziel nicht direkt anlaufen konnten, sondern südlich von Santa Luzia aufkreuzen mussten. Drei ausgerissene Mastrutscher oben am Vorliek des Grosssegels zwangen uns zusätzlich zu einem Zwischenstopp auf der Charterbase. So erreichten wir mit einem Tag Verspätung Santa Luzia.
Santa Luzia ist unbewohnt und ein Naturschutzgebiet. Eigentlich darf man hier nicht ankern, aber laut Vercharterer wird das ständig gemacht. Sollte die Polizei auftauchen, so hat man nur einen Zwischenstopp eingelegt und soll dann gleich weiter fahren. Der Strand von Santa Luzia ist ein Traum, blieb aber für uns unerreichbar. Wir kamen um 1700 nach einem strengen Segeltag an und waren froh im Lee der Insel Ruhe von den rund 2,5m hohen Wellen zu finden. Wir setzten auf 8m Wassertiefe Kattanker + Hauptanker + 50m Kette, und das war dringend nötig. Unter Deck: Gemütlichkeit pur, ein feines Nachtessen wurde gekocht, guter Wein, fröhliche Stimmung. Auf Deck: Action pur. Die ganze Nacht pfiff es mit 6 Bft und die Jacht legte sich selbst vor Anker in den Böen ordentlich auf die Backe. Eine ruhige Nacht ist anders, aber ein Stugeron in Ehren ist niemandem zu verwehren. So schlief die Crew tief und fest. Der Skipper hatte den Schwojkreis auf dem Ankeralarm etwas defensiv klein gesetzt und musste 2 mal die Lage checken. Der Anker hielt bombenfest, also weiterschlafen…
Am Morgen wollten natürlich alle mit dem Dinghi an den Strand. Mir war’s bei dem Gedanken nicht wohl. Es blies immer noch mit einer 6. Man würde mit dem Dinghi zum Ufer gegen den Wind paddeln müssen, da man den Aussenborder nicht der Brandung aussetzen wollte. Falls etwas schief gehen sollte, würden Dinghi samt Crew zügig auf den offenen Atlantik hinaustreiben und eine Bergung wäre mit der Jacht anspruchsvoll. Das sind die Momente, die ich als Skipper hasse, aber ich sagte den Landgang ab. Wir hoben den Anker, schossen noch ein paar Fotos und verliessen wehmütig den schönen Ort. Am Samstag in Mindelo hörten wir die Story einer anderen Crew, die 2 Tage nach uns an der gleichen Stelle auf Santa Luzia anlandete. Der eine Mann hatte beachtliche Schrammen im Gesicht, als ihm die Brandung das Dinghi um die Ohren haute.
Vor uns lagen rund 6 Stunden gegen Wind und Welle bis São Nicolau. Wir zogen nördlich vorbei an den kleinen Inseln Branco und Raso und steuerten das von weitem sichtbare Tarrafal an. Ein bisschen fantasielos die Namensgebung: Einen Ort namens Tarrafal gibt’s hier auf jeder Insel. Nach den Strapazen der Überfahrt wurden wir vor São Nicolau im ruhigen Wasser von Delfinen begrüsst. Diese neugierigen, verspielte Gesellen blieben etwa 20 Minuten bei uns und wir bei ihnen.
In Tarrafal genossen wir die Gesellschaft anderer Jachten auf dem gut geschützten Ankerplatz. In den letzten 3 Tagen waren wir fast immer alleine auf dem Meer unterwegs. Auch hier wurde verkattet, um vor den starken Fallböen gewappnet zu sein, die im Revierführer beschrieben werden.
Mit dem Dinghi ging‘s an Land, wo schon eine Horde Jungs für ein paar Euro unser Dinghi hüten wollte. „Dinghi Watch“ scheint ein einträgliches Geschäft zu sein. Entweder gibst du mir ein paar Euro, oder du siehst dein Dinghi nie wieder!! 3 Euro handelten wir schliesslich aus für Dinghi Watch von 17 – 22 Uhr. Es war ein für kapverdische Verhältnisse kalter Winterabend, ca. 18 Grad und der Junge hatte nur ein T-Shirt an. Ich fragte ihn, warum er keine Jacke anziehe. Er habe keine, meinte er. Als wir in der Nacht das gut gehütete Dinghi wieder erhielten, habe ich ihm dann zusätzlich zum vereinbarten Lohn noch ein toll bedrucktes T-Shirt geschenkt, das mir vor paar Jahren ein eifriger Marktverkäufer in der Südtürkei aufgeschwatzt hatte. Der Junge hatte eine Riesenfreude.
Eigentlich sollten und wollten wir auf São Nicolau einklarieren, was auf Kapverden auf jeder Insel Pflicht ist. Da wir aber das Büro des Hafenmeisters auch nach längerer Suche nicht fanden und es unwahrscheinlich war, dass jemand um 18 Uhr noch Papierkram erledigen würde, änderten wir die Suche stattdessen in Richtung eines guten Restaurants. Ein kühles Bier erhellte mein schlechte Skipper-Gewissen und wir genossen das tolle Nachtessen. Am Morgen wollte wir ohnehin früh wieder los.
Am Donnerstag standen 50sm auf dem Programm. Die Crew hatte nach den letzten 3 intensiven Segeltagen etwas Respekt vor der Distanz, doch 50sm auf räumlichem Kurs sind eben eine viel entspanntere Geschichte als 30sm gegen Wind und Welle. Der Tag bescherte uns schnelles, bequemes und trockenes Segeln bei wenig Krängung. Im 3. Reff benötigten wir gerade mal knapp 7 Stunden für die Strecke zurück nach Mindelo. Wohl dem, der den Passatwind auf seiner Seite hat!
Für den Freitag hatten wir ein Land-Ausflug auf Santo Antão vor. Darüber mehr im nächsten Blogbeitrag.